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Der digitale Bauantrag

E-Government

Stadt-Gespräche - Folge 56

In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter:innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge berichtet Yvonne Rowoldt, E-Government-Koordinatorin von Nordwestmecklenburg, wie ihr digitales Baugenehmigungsverfahren von Bürger:innen angenommen wurde und welche Verbesserungen sie durch die Digitalisierung erzielen konnten.


Nina da Costa: Was habt ihr gelernt, als ihr das Online-Bauverfahren zum ersten Mal live geschaltet habt?


Yvonne Rowoldt: Wir haben uns durch das Land die Ausnahmegenehmigung geben lassen, unabhängig von den gesetzlichen Rahmenbedingungen einen Online-Antrag zu entwickeln. So konnten wir auf Formulare wie die Baubeschreibung verzichten. Und eigentlich gibt es den Passus des Landesgesetzes, dass die Vorlagen auf wasserfestem Papier und Din A4-gefaltet eingereicht werden müssen - oder sowas Ähnliches. Diesen Sachen mussten wir uns nicht stellen, sondern wir konnten zeigen, dass es auch anders möglich wäre. Und trotzdem hat unsere Baubehörde gesagt "Wenn das online geht, stellen uns irgendwelche Leute im Namen von Mickey Mouse Bauanträge". Also wurde vereinbart, dass wir eine Papierversion verlangen. Dann haben sie ihre Unterschrift und fühlen sich besser. Aber obwohl es jetzt einfacher ist, klickt sich nicht irgendwer aus Langeweile durch diesen Antrag. Diese Erkenntnis hatte die Bauverwaltung dann auch, und bei der nächsten Version machen wir es ohne Papier. 


Nina: Welches Feedback habt ihr bisher für den Online-Bauantrag bekommen? 


Yvonne: Es gibt Nutzer, die das zum ersten Mal ausprobiert haben und sehr begeistert sind. Ein Testimonial eines Architekten ist, dass es ein Vorteil ist, sich den Bauherren zum Abschlussgespräch zu holen, sich gemeinsam vor den Computer zu setzen, das anzuschauen und hochzuladen - und dann ist es erledigt. Es gibt Leute, die das richtig intensiv nutzen, und die nennen natürlich auch Punkte, die angepasst werden müssen. Die sind aber sehr konstruktiv, und die kann man anrufen und fragen, was man noch verbessern kann. 


Nina: Und habt ihr Erfahrungen mit Menschen gemacht, die digital nicht so versiert sind?


Yvonne: Ja, es gibt auch Leute, die sich mit sowas gar nicht beschäftigt haben und eher zufällig drüber gestolpert sind. Die rufen dann an: "Hilfe, ich bin mitten im Antrag!" Denen muss man weiterhelfen, und sie helfen einem wiederum zu erkennen, wo noch Stolpersteine sind. Wenn du zweimal an derselben Stelle ein Problem hast, weißt du, dass es durchaus noch andere treffen könnte. Wenn man zum ersten Mal den Online-Bauantrag öffnet, läuft da jetzt direkt ein Video ab, in dem gezeigt wird, wie das Ganze funktioniert. Wer viel im Netz unterwegs ist, kennt das. Trotzdem war die Reaktion in der Verwaltung: "Das geht!?" Und da ist wieder dieser Punkt des Fokuses auf den Nutzer: Wenn der es nicht schafft, seinen Antrag online zu stellen, wird er sich wieder durch den Papierantrag quälen. 


Nina: Und den wollt ihr ja gar nicht mehr.


Yvonne: Genau, denn dann müssen wir wieder scannen, aufbereiten und nachher irgendwas ausdrucken, um es per Post zu verschicken. Nein danke. Das ist auch so eine Erfahrung, die die Bauverwaltung jetzt gemacht hat: die Transformation selbst ist eigentlich die blödeste Phase, weil ich da doppelt arbeite - im alten Prozess, und gleichzeitig ist das Neue noch nicht komplett da. 


Nina: Welche Änderungen ergeben sich dadurch, dass der Prozess jetzt online abgewickelt wird - auf Bürgerseite und auf Verwaltungsseite? 


Yvonne: Wir hoffen natürlich, dass der Antrag für Bürger einfacher auszufüllen wird, weil er durch ihn hindurchgeführt wird. Eines der Probleme war bisher nämlich, dass diese Formulare oft nicht richtig ausgefüllt wurden. Und wir haben am Anfang eine Vorhabensklärung eingebaut. Normalerweise kommt sonst erst innerhalb des Verfahrens raus, was der Entwurfsverfasser eigentlich bauen will. So wird er jetzt durch den Assistenten gut geführt und kann auch mit anderen am Antrag arbeiten. Und es ist natürlich bequem, dass er in sein Service-Konto Nachrichten zum Status bekommt, oder eventuelle Nachfragen. Das alles hat große Effekte für den Bürger, weil er den richtigen Antrag stellen kann, einen Überblick und Transparenz zum Stand des Antrags hat, relativ schnell zu einem Bescheid kommt und auch über eine Bezahlseite direkt bezahlen kann. 


Nina: Und was hat sich für die Verwaltungsseite verändert?


Yvonne: Unsere Verwaltung bekommt professionellere Anträge, sprich: sie sind richtig ausgefüllt und zugeordnet. Das fängt schon damit an, dass der Name richtig geschrieben ist, weil der Bürger oder das Unternehmen ihn selbst oder durch automatisches Ausfüllen eingetragen hat. Das kann nicht mehr durcheinander gebracht werden. Auch im Geburtsdatum gibt es keine Zahlendreher mehr, und so weiter. Alles was digital richtig reinkommt wird auch richtig weiterverarbeitet. Es kann richtig zugeordnet werden. Da klicke ich mit der Maus, es wird hochgeladen - das kann nicht versehentlich woanders landen. Also entweder funktioniert es, oder das System ist richtig kaputt. Das macht auch die Standardaufgaben für die Verwaltung einfacher: Es gibt keinen Bedarf mehr dafür, darauf zu warten, dass die Post kommt und der Ordner an den Nächsten geschickt wird. Das kann alles zeitgleich erfolgen, und da erhoffen wir uns auch, dass dadurch Geschwindigkeit aufgenommen wird. 


Nina: Konntet ihr denn schon eine höhere Geschwindigkeit im Prozess feststellen?


Yvonne: Ja, wir bearbeiten Bauanträge nachweislich schneller, und das ist schön. Was wiederum für den Bürger oder das Unternehmen schön ist, weil sie schneller bauen können. Und dann kommt noch dazu, dass wir durch diesen allgemeingültigen Ansatz versuchen, eine Einheitlichkeit in die Verwaltung zu bekommen. Wer mit dem DMS und der E-Bauakte umgehen kann, wird auch mit der "Sozialakte" weitestgehend umgehen können. Das heißt, auch der Austausch der Beschäftigten untereinander sollte einen Qualitätssprung bekommen. Und wenn sie mehr digital arbeiten, kommen wir endlich mal weg von diesen unsäglichen Kopier- und Papierkosten. Aber der Mensch versucht eben automatisch, es sich so einfach wie möglich zu machen. Teilweise sogar im Kopf, wo Routinen ablaufen, sodass man nicht nachdenken muss. 


Nina: Der Weg des geringsten Widerstands.


Yvonne: Genau, und so ist es auch, wenn ich immer mein Papier auf dem Tisch liegen hatte, und daneben schön den roten, grünen und gelben Stift. Dann wird es schwierig, das am Computer zu machen, selbst wenn mir das dreimal gezeigt wird. Dann passiert es auch, dass Leute sich trotzdem was ausdrucken. Ich denke, das Gesundheitsmanagement würde sich auch freuen, wenn wir die Drucker mehrere Etagen entfernt aufstellen, damit man laufen muss. Irgendwann kommt ja der Punkt, an dem es nicht mehr einfacher ist, das auf Papier zu machen. Dann sagt man: Schon wieder zum Drucker laufen, die PIN eingeben, das Papier auffüllen... Wenn das nur schwierig genug ist, arbeitet man doch vielleicht am Rechner. Und dann fängt man an, sich da die Kniffe auszudenken. Wenn ich das vorher nie gemacht habe, denke ich mir vielleicht erstmal, dass ich das nicht kann. Und dann lernt man es eben, gibt sich gegenseitig Tipps... 


Nina: Das ist sicher eine reine Gewöhnungssache -. aber man kann sich eben nicht daran gewöhnen, wenn man es nicht nutzt. Was, glaubst du, hat dieses ganze Projekt so erfolgreich gemacht? 


Yvonne: Ich glaube, das liegt daran, dass wir vorher schon viel Hirnschmalz reingesteckt haben; dass wir ordentlich formuliert und überlegt haben, wo wir damit hinwollen. Also, die Vorarbeit war ein wichtiger Punkt. Der zweite Punkt ist, dass wir das Ganze lehrbuchhaft abgearbeitet haben. Auch, wenn es noch gar kein Lehrbuch gab: wir haben Prinzipien entwickelt, uns die Infrastruktur angeschaut und mit den Leuten gesprochen, die es betrifft. Das sind so Banalitäten, aber man merkt, dass es oft genug nicht gemacht wird. Dann muss man natürlich die Leute mitnehmen. Kritikfähig sein und auch nach Kritik fragen. So blöd, wie manche Beiträge vielleicht erstmal klingen: es ist Feedback zum Projekt. Wir können auch nicht alles sofort lösen - aber dann kommt es eben auf die To-Do-Liste. 

Verwaltungsprozesse gehören in die Hände derer, die sie am besten kennen.

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