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Die Rolle der Wertschätzung

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Stadt-Gespräche — Folge 16

In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge sprechen wir mit Björn Schoppohl vom Projekt Arbeit 4.0 darüber, wieso Wertschätzung untrennbar mit neuer Arbeit verknüpft ist.

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Nina da Costa: In welchen Bereichen seid ihr mit eurem Projekt Arbeiten 4.0 unterwegs?

Björn Schoppohl: Das ist gar kein Projekt, sondern ein Experimentierraum: Es gibt kein festes Budget und keine festen Ziele. Stattdessen hieß es: Wir starten einfach und gucken, in welche Richtung sich das entwickelt. Dazu haben wir mit dem Bereich gesprochen, in dem wir unsere “Spielwiese” haben: was stellen sie sich vor und was können wir realisieren? Dann mussten wir gucken, woher wir die Finanzierung bekommen. Wir haben ganz viele IT-Themen bespielt, wie Videotelefonie, Sprache-zu-Text- und Stift-zu-Text-Programme, also etwas auf ein “digitales Blatt” zu schreiben, und natürlich mobile Hardware, die man mitnehmen kann.

“Nicht nur Digitalisierung machen, sondern auch Mehrwerte für die Mitarbeiter generieren.”

Nina: Und dann gibt es noch den Gesundheitsaspekt, der für dich ja auch eine große Rolle spielt?

Björn: Genau. Es gibt Unternehmen und Schulen, die ihre Schüler und Mitarbeiter jeden morgen in eine Meditationsrunde schicken und damit einen erheblich besseren Output produzieren. Das ist messbar und nachweisbar. Ich dachte, man könnte sowas auch ausprobieren. Das lässt sich leider nicht realisieren, weil ich niemanden dazu zwingen kann. Das hätte ich toll gefunden, ist aber auch schwer in den Alltag zu integrieren. Und es gibt noch ganz viele andere “weiche Faktoren”, oder wie man das nennen möchte.

Nina: Soft Skills?

Björn: Genau. Rückenfit-Kurse, Meditationsangebote, Massagen am Arbeitsplatz. Oder auch Teambuilding-Maßnahmen: sich zu treffen, eine gemeinsame Mittagspause zu verbringen. Aber das ist wieder konträr zu mobil und überall arbeiten. Dann gehört dazu noch Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Zu sagen: wir stellen euch einen Obstkorb hin, ihr bekommt kostenlos Wasser und Kaffee. Ich finde, das gehört auch mit dazu: nicht nur mit Desk Sharing und mobilem Arbeiten Raum einzusparen, sondern auf der anderen Seite auch Mehrwerte für die Mitarbeiter zu generieren.

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Nina: Das heißt, für dich hat man auf der einen Seite Digitalisierung, braucht als eine Art Balance auf der anderen Seite aber auch mehr Menschlichkeit?

Björn: Ja, mehr Menschlichkeit und Wertschätzung. Also, Wertschätzung, dass Leute das mitmachen. Ich glaube, das geht in vielen Bereichen unter. Gerade in Deutschland wollen wir immer nur messen, was hinten rauskommt — und das muss möglichst gut sein. Jemanden zu loben und zu wertschätzen ist dann eine große Herausforderung, aber eigentlich das A und O, um Leute zum Weitermachen zu motivieren. Ich glaube, so sind wir aber nicht gestrickt. Das ist auch nochmal ein Umdenkprozess.

Nina: Fühlst du dich denn wertgeschätzt?

Björn: Manchmal ja, manchmal nein. Das ist das Schwierige: Schulterklopfen gibt es relativ wenig. Wenn man aber zurück guckt, was man schaffen kann, wenn man selbst ein bisschen Lust darauf hat, etwas zu verändern, dann ist das schon relativ viel. Vielleicht muss man sich selbst auch mal loben und darüber freuen. Schöner wäre es natürlich, wenn man das von anderer Seite hört. Da können wir auch nochmal über Fehlerkultur reden. Es wird immer gesagt: “Wir machen 80–20” (Pareto-Prinzip: 80% des Ergebnisses entstehen durch 20% der Arbeit, die letzten 20% des Ergebnisses benötigen 80% des gesamten Arbeitsaufwandes. Das heißt, man spart viel Aufwand, wenn man keinen Perfektionismus anstrebt. Anm. d. Red.) Das wird zwar gesagt, aber gelebt wird: 120 % müssen erfüllt sein. Ich glaube, das wird sich erst über einen langen Zeitraum verändern, wäre aber total wichtig, um voranzukommen, schneller zu werden und Sachen zu verändern.

“Ich glaube, wir hätten sehr viel davon, wenn wir alle wertschätzender miteinander umgehen würden.”

Nina: Ich glaube, das ist gleichzeitig der Vorteil und das Schwierige an Wertschätzung: es kann unterschiedliche Sachen bedeuten.

Björn: Ich glaube auch, dass es sehr individuell ist. Aber das ist ein kulturelles Ding, die Leute wertzuschätzen, es ihnen auch zu zeigen und zu verstehen, dass das wichtig ist. Wenn wir alle wertschätzender miteinander umgehen würden, hätten wir sehr viel davon. Oder einfach mal Danke zu sagen. “Tolles Ergebnis; finde ich klasse, was ihr da gemacht habt”. Das ist eher untypisch in unserer Gesellschaft. Ich weiß nicht, ob das jemals so funktionieren wird, ich fände es aber toll.

Nina: Bei der Beschäftigtenkonferenz meinte jemand auch: Natürlich ist Wertschätzung von Führungskräften wichtig, aber man darf es sich auch selbst als Aufgabe setzen, gegenüber den eigenen Kolleginnen und Kollegen mehr Wertschätzung zu zeigen.

“In jüngeren Generationen habe ich das Gefühl, dass Probleme zusammen gelöst werden.”

Björn: Absolut. Das ist, glaube ich, auch eine Generationsentwicklung, die da stattfindet. In meinem Jahrgang und in denen davor ist das Kirchturmdenken sehr verbreitet: “Das ist mein Wissen” und “Ich sage niemandem was”. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass meine Ergebnisse als die von jemand anderem ausgegeben wurden, was mich unglaublich böse gemacht hat. Irgendwer geht hin, am besten noch ein Vorgesetzter, und sagt: Guck mal, was ich gemacht habe. Und du denkst: Guck mal, was mein Mitarbeiter gemacht hat, wäre richtig gewesen. Du stößt gerade jemanden vor den Kopf, der viel dafür gearbeitet hat.

Nina: Glaubst du denn, dass sich dieses Kirchturmdenken ändert?

Björn: Ja, in jüngeren Generationen habe ich das Gefühl, dass Probleme zusammen gelöst werden; dass man in einem Forum eine Frage stellt und die Leute einem antworten und helfen. In einem Konzern müsste das noch viel eher so sein. Es ist leider immer noch so, dass man versucht, dieses “Alleinstellungsmerkmal Wissen” zu verteidigen, anstatt es aufzumachen. Das ist aber nicht Stadt-spezifisch, sondern wahrscheinlich überall so. Aber ich glaube, das wird sich mit den jüngeren Menschen verändern— wenn sie sich nicht desillusionieren lassen.

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“Es heißt “wir machen das”, aber keiner denkt darüber nach, welche Rahmenbedingungen dafür nötig sind.”

Nina: Als gesagt wurde: Wir machen das Projekt oder den Experimentierraum Arbeiten 4.0, hast du sofort “Hier” geschrien?

Björn: Nein, weil ich zu dem Zeitpunkt ein anderes großes Projekt hatte. Manche haben schon zu mir gesagt: wäre das nicht was für dich? Ich habe gesagt: Total gerne, aber ich will nicht 15 Sachen gleichzeitig bespielen, das geht nicht. Im Endeffekt ist es dann doch bei mir gelandet. Und ich habe riesigen Spaß daran. Es spielt auch in meine Art zu arbeiten und zu denken: dass man Sachen einfach anstößt, kleinteilig löst und guckt, was dabei rauskommt. Dieser Experimentierraum wird darauf hinauslaufen, dass man Empfehlungen aussprechen kann: “Wenn wir Desk Sharing machen wollen, müssen folgende Rahmenbedingungen gegeben sein”. Momentan heißt es nämlich “wir machen das”, aber keiner denkt darüber nach, welche Rahmenbedingungen dafür nötig sind.

Nina: Die muss man ja erstmal rausfinden, muss man dazusagen.

Björn: Genau, aber diese Themen sind ein Hype - und dann will man das “einfach mal haben”. Da muss man aber sagen: Guck dir die Infrastruktur dahinter an — haben wir die Möglichkeit, Räume zu wechseln; haben wir Verträge, damit Leute so arbeiten können?

“Städte werden so kaputtgespart, dass sie kaum noch funktionieren — da ist an Innovation nicht zu denken.”

Nina: Und: wollen die Leute überhaupt so arbeiten?

Björn: Wollen die das überhaupt, genau. Man schaut sich auch automatisch Prozesse an. Sachen auf Papier werden eingescannt, ausgedruckt, abgeschrieben, nochmal ausgedruckt — das könnte man schlanker machen. Andere Städte bringen immer einen IT-Menschen und einen Orga-Menschen zusammen. Die gucken sich dann Prozesse an und schauen, wie man sie IT-technisch abbilden kann. So werden Prozesse auf einmal super schnell und schlank. Aber wenn man auf diese Art durch die Verwaltung geht, hat man hundert Jahre was zu tun. Man muss auch den Personalrat beteiligen, und man braucht eine IT, die genug Ressourcen hat, um die Sachen auch umzusetzen. Aber die Städte werden so kaputtgespart, dass sie kaum noch funktionieren — da ist an Innovation nicht zu denken. Ich glaube, das klappt nur, wenn man am Anfang Geld und Manpower in die Hand nimmt, um Veränderung und auf langer Strecke auch Effekte zu erzielen. Die werden nicht von heute auf morgen da sein.

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