Die Laborprojekte - Teil 1: So funktioniert’s
Stadt-Gespräche - Folge 50
In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter:innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge berichtet Cornelia Tusk von der Bochumer Geschäftsprozessoptimierung, kurz GPO, von den Bochumer Laborprojekten. Sie erklärt, welches Ziel sie verfolgen und wie sie funktionieren.
Nina da Costa: Kannst du in deinen Worten erklären, was die Laborprojekte sind?
Cornelia Tusk (lacht): Das kann ich versuchen. Die Idee ist aus einer Überlegung entstanden, die sich im Rahmen der Geschäftsprozessoptimierung (kurz GPO) aufdrängte, und zwar die Frage von Projekten bei der Stadt Bochum. Projekte im kommunalen Bereich sind traditionell... schwierig (lacht). In der Stadtverwaltung besteht das Gefühl, wir würden keine Projekte zu Ende kriegen, aber das stimmt überhaupt nicht. Wir machen viele Projekte gut, haben aber festgestellt, dass da noch Luft nach oben ist: Die Struktur, die Gremien, die Zusammensetzung von Arbeitsgruppen - das ist alles sehr verwaltungsgeprägt. Man muss gefühlt 300 Leute beteiligen, und am Ende hast du immer noch irgendwen vergessen, der dann beleidigt ist. Und du denkst dir: ich hätte eigentlich nicht noch mehr Leute fragen können. Da war dann die Überlegung, dass da irgendetwas anders laufen muss.
Nina: Und was ist der Ansatz?
Conny: Zum Beispiel, dass die Projektleitung wirklich etwas zu melden hat, Dinge entscheiden darf, und es einen Auftraggeber gibt, der sich mit dem Projekt identifiziert. Wenn du mir einen Projektauftrag gibst, dann stehen wir im ständigen Austausch, stimmen uns ab und sind beide befugt, Entscheidungen zu treffen. Wir müssten nicht immer erst 300 Leute fragen, von denen sicher jemand was zu meckern hat, sodass wir ein halbes Jahr lang nicht weiterkommen. Wir wollten also die Arbeitsgruppen abspecken und dafür sorgen, dass die auch wirklich arbeiten können. Und daraus ist die Idee dafür entstanden, fachbereichsübergreifende Probleme zu lösen. Da ist es sinnvoll, ein paar ausgewählte Leute aus verschiedenen Fachbereichen einfach mal für zwei, drei Tage in einen Kreativraum zu holen, und sich dort ganz intensiv einem Problem oder einer Fragestellung zu widmen. Und am Ende kommt dann raus: es geht, oder es geht nicht.
Nina: Es ist also ergebnisoffen?
Conny: Genau, und das ist die Idee des Laborprojektes: wir fangen nicht damit an, einen riesigen Projektauftrag zu schreiben, den an 300 Stellen abzustimmen, sodass 5 Monate vergehen, bis wir die erste Arbeitsgruppensitzung halten. Stattdessen geht das Ganze schneller, effektiver und ergebnisoffen. Das ist das Wichtigste - dass am Ende immer herauskommen kann: wir haben uns das angesehen, aber es funktioniert leider nicht. Damit hast du ganz viel Zeit gespart und dich nicht über ein, zwei Jahre durch ein Projekt gequält; nur, um am Ende festzustellen, dass wir es doch nicht hinkriegen. Wir haben das für viele Themen getan, zum Beispiel für das fachneutrale Fallmanagement, das ihr bei ShiftDigital jetzt als “Shift Studio” entwickelt. Dafür haben wir uns die Frage gestellt, ob es eine so fachneutrale Software geben kann, dass sie ganz viele Anwendungsfälle innerhalb der Verwaltung hat und für ganz unterschiedliche Fragestellungen funktioniert, wie für den Personaleinsatz, die Einschulung eines Flüchtlingskindes, die Fällung eines Baumes, die Schadensbehebung in einer Schule, und so weiter. Und die Antwort war - Gott sei Dank für euch, und für mich auch - Ja (lacht).
Nina: Hast du noch weitere Beispiele?
Conny: Es ging zum Beispiel auch um empfängerorientierte Sprache. Im kommunalen Integrationszentrum gibt es Bescheide für Förderprogramme, die kein Mensch versteht. Die verstehst du schon nur bedingt, wenn deine Muttersprache Deutsch ist - und wenn das nicht der Fall ist, kommt man erst recht schnell an seine Grenzen. Es ging darum, eine Sprache zu entwickeln, die jeder durchschnittlich intelligente Mensch versteht, und das ist auch sehr gut gelungen. Oder das Thema SchokoTicket, also die Beförderung von Schüler:innen. Das ist im Moment ein unheimlicher Aufwand, weil die Daten auf Papier vorliegen. Und da haben wir uns gefragt, ob es nicht möglich ist, die Antragsannahme und -bearbeitung zu digitalisieren. Und da ist rausgekommen: Ja, es geht.
Nina: Und dann?
Conny: Natürlich ist so ein Projekt damit nicht zu Ende. Das Shift Studio war nach drei Tagen Laborprojekt noch nicht fertig, aber zumindest wusste man, dass es möglich ist. Und daraus können dann Aufträge für große Veränderungsprojekte entstehen. Das Shift Studio ist ja ein riesiges Projekt, genauso wie die Digitalisierung des SchokoTickets noch viel Arbeit ist. Aber der erste Schritt ist getan, denn wir wissen, wo wir hinwollen und wie eine Lösung aussehen soll. Das Schöne war, dass die Beschäftigten völlig losgelöst von ihrem Job und auch von ihrem Silo - mit ihren Aufgaben und ihren eigenen rechtlichen Anforderungen - über den Tellerrand hinausgeschaut und gesagt haben: meine spezifische Anwendung würde ich für eine stadtweite Lösung opfern. Das war eigentlich der große Erfolg.
Nina: Wie läuft denn ein Laborprojekt ab?
Conny: In einem sehr lockeren, entspannten Rahmen. Es gibt eine bestimmte Frage- bzw. Aufgabenstellung. Dafür muss man sich im ersten Schritt anschauen, welche Leute aus welchen Bereichen man dafür braucht; wer für die Beantwortung der spezifischen Frage sinnvoll wäre. Wenn du dieses Format in einer Verwaltung zum ersten Mal nutzt, solltest du überlegen, Leute zu nehmen, von denen du den Eindruck hast, dass sie bereit sind, sich auf so etwas einzulassen.
Nina: Mal etwas anderes auszuprobieren.
Conny: Genau. Du hast vorne einen Moderator stehen, der dich durchführt. Mit unserem Berater, Herr Neutzner, hatten wir einen super Menschen, der immer gut aufgenommen hat, was die Leute gesagt haben. Im Kern arbeitest du dich an der Fragestellung ab und versuchst, eine Lösung zu skizzieren. Bei den Laborprojekten haben die externen Berater nach dem Workshop noch Nachtschichten eingelegt. Beim Shift Studio hatte David Latz (GF von ShiftDigital, Anm. der Redaktion) zum Beispiel die ersten Lösungsentwürfe designed, um im Workshop am nächsten Tag zu zeigen, wie so etwas aussehen könnte.
Nina: Und wie lange dauert ein Laborprojekt?
Conny: Auch von der Zeitplanung her war es total locker gestaltet. Wir hatten drei Workshoptage angesetzt, die externen Berater haben aber manchmal mittags gesagt: “Wir müssen jetzt erstmal zusammentragen, was erarbeitet wurde.” Es hatte dann keinen Sinn, diesen Tag wie angesetzt bis 16 Uhr durchzuziehen. Bei Seminaren hat man ja oft den Eindruck, dass schon alle Themen durchgearbeitet sind, es aber trotzdem bis zum Ende, bis zum Erbrechen durchgezogen wird. Es war besonders an den Laborprojekten, dass das anders lief. Natürlich haben die Leute diese Tage im Kalender geblockt, damit sie zeitlich zur Verfügung stehen. Aber wenn dann mittags gesagt wurde "Wir müssen jetzt erstmal die Ergebnisse zusammentragen und sehen uns morgen früh wieder", hatte ich den Eindruck, dass das bei allen extrem gut angekommen ist.
Nina: Das glaube ich!
Conny: Und nach diesen drei, vier Tagen gibt es die Ergebnisdokumentation, in der steht: Ja, so ein Shift Studio kriegen wir hin. Oder: die digitale Beantragung und Bearbeitung des SchokoTickets ist möglich. Punkt.
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