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Komplexe OZG-Projekte angehen

E-Government

Stadt-Gespräche - Folge 55

In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter:innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge berichtet Yvonne Rowoldt, E-Government-Koordinatorin von Nordwestmecklenburg, wie sie ihr erstes und komplexes OZG-Projekt, den Online-Bauantrag angegangen sind und die Zusammenarbeit intern, mit Bürger:innen und dem Land ablief.

Nina da Costa: Ich würde jetzt gerne zu eurem Online-Baugenehmigungsverfahren kommen. Erzähl doch erstmal von dem Projekt. 


Yvonne Rowoldt: Wir wollten die Voraussetzungen für E-Government aufbauen und uns als Beispiel ein Verfahren vornehmen. Da haben wir aber nicht etwa die Hundesteuer genommen, sondern das Baugenehmigungsverfahren. Da hat man sich schon fragt: wer hat das da eingetragen!? Und jetzt wollen wir das mal schnell in einer kleinen Online-Lösung abbilden. Herzlichen Dank auch! (Lacht) Und dann brütet man darüber und erkennt, dass das sehr sinnvoll war, eben weil es so komplex ist und so viele Herausforderungen hat. Wenn wir das knacken, können wir alles andere auch. Zum Beispiel stellen Bauherr und Entwurfsverfasser diesen Antrag oft gemeinsam, und man muss innerhalb des Verfahrens die Gemeinde, den Stromversorger und den Telekommunikationsdienstleister beteiligen. Und diese Beteiligung kann man generalisieren. Im Sozial- oder Gesundheitsbereich kommt es zum Beispiel häufiger vor, dass ein Arzt dazukommen muss, oder ein Vertreter.


Nina: Wie seid ihr das Projekt angegangen?


Yvonne: Das muss man in möglichst kleine Einheiten unterteilen - und dann anfangen. Wir haben uns als erstes den Prozess angeguckt. Wir wussten, dass wir den standardisieren müssen, und haben uns dabei ans Land gehalten, damit wir die Prozesse so aufnehmen, dass sie weiter verwendbar sind. Und wir haben auch die ersten Fehler gemacht. Als wir damals mit dem Prozess angefangen haben, war der erste Punkt zum Beispiel: "Bauantrag ist eingegangen". Weil eine Verwaltung ja anfängt zu arbeiten, wenn sie das Papier in die Hand kriegt (lacht). Und dann kam die Frage, wer eigentlich den Antrag stellt. Und die Verwaltung sagt: "Das wissen wir nicht. Bei uns kommt das unterschrieben an. Ob das der Bauherr macht oder der Entwurfsverfasser, wissen wir nicht." Aber wir müssen doch klären, wer den Antrag stellen muss. Wie soll ich das denn sonst im System abbilden? 


Nina: Ihr habt also gemerkt, dass der Prozess noch mehr Schritte hat, als ihr dachtet.


Yvonne: Genau, und dass wir uns auch das "Davor" angucken müssen, das uns sonst als Verwaltung nicht interessiert hat, und auch die Dinge danach, also solche Fragen wie: wann ist der Vorgang eigentlich zu Ende? Dann kann man die Sachen rauskramen, die man im Verwaltungsrecht gelernt hat und sich angucken, wie das in der Verwaltung tatsächlich gehandhabt wird. Da gibt es schon sehr unterschiedliche Handhabungen zwischen der "Bauwelt" und der "sozialen Welt". 


Nina: Warum habt ihr euch ausgerechnet eins der komplexesten Verfahren ausgesucht?

 
Yvonne: Wenn wir das fertigstellen, haben wir wirklich alle Infrastruktur, alle Technik, alle Architektur, die wir grundsätzlich brauchen. Dann haben wir sehr viel Erfahrung und können mit den Ergebnissen andere Dinge viel schneller umsetzen. Es ist lehrbuchhaft. Wir mussten uns am Anfang damit beschäftigen, was wir eigentlich tun wollen, die Technik definieren und so weiter. 


Nina: Wie habt ihr das Team für diese Aufgabe zusammengestellt? 


Yvonne: Nach den entsprechenden Rollen, die wir dafür benötigt haben. Im Endeffekt hatten wir mich als E-Government-Koordinatorin, die alles ein bisschen zusammenhalten muss. Grundlegend verantwortlich ist die entsprechende Fachdienstleitung. Und dann haben wir immer die entsprechenden technischen und fachlichen Zuarbeiten. Das ist in manchen Projekten kein kleines Team, und es wird teilweise mit der Zeit auch noch größer. Mittlerweile haben wir es so aufgebaut, dass jemand die Administration von dem CMS übernimmt, und wir haben grundsätzlich das Prozessmanagement mit dabei, das alles gleich so aufbereitet, dass es in unserer Software mitgeführt wird. Und natürlich haben wir das DMS, weil es eben ohne die E-Akte nicht geht. Soll ich das nachher etwa alles wieder ausdrucken? Also haben wir über ein Jahr an der E-Bauakte gesessen, sie konfiguriert, ein Feinkonzept entwickelt und geschult. 


Nina: Ihr habt da auch die Bürger:innen mit einbezogen, oder? 


Yvonne: Ja, wir hatten die Bürger:innen im OZG-Labor dabei. Wir haben auch oft Kontakt zu ihnen aufgenommen. Zum Beispiel waren die Entwurfsverfasser diejenigen, die am meisten an unserer ersten Version gearbeitet haben. Wir waren auch im Kontakt mit der Architektenkammer, der Ingenieurkammer. Wir haben ihnen das Projekt vorgestellt und darüber diskutiert, wo wir hinwollen und was sie noch brauchen, damit die Anforderungen und die Funktionen deckungsgleich sind.


Nina: Ihr habt das Projekt ja nicht nur in und für Nordwestmecklenburg gemacht, sondern auch über die Kommune hinaus. Wie lief diese Zusammenarbeit ab? 


Yvonne: Am Anfang war das relativ zäh. Wir haben geguckt, welche Projekte es im Land und im Bund gibt und wo man gemeinsam etwas entwickeln kann. Wir haben zum Beispiel mit der Metropolregion Rhein-Neckar Ideen ausgetauscht. Dann kam zum Glück das OZG und unser Bundesland hat “Bauen und Wohnen” als Themenfeldführer in die Hand genommen. Wir wurden gebeten, mit in die Labore und Steuerungskreise zu kommen und konnten schon viele Ergebnisse mitbringen. Zum Beispiel hatten wir den Standardprozess schon abgebildet und konnten alles einbringen, was wir an Problemen erkannt hatten. Wir haben auch relativ zügig den Click Dummy entwickelt und sind durch die Erkenntnisse in unserer Umsetzung schneller geworden. Da kam dann das Land zu uns sagte "Das nutzen wir als OZG-Landeslösung und nehmen die unteren Bauaufsichtsbehörden mit.” 


Nina: Und das passiert jetzt gerade?


Yvonne: Genau. Das Land kümmert sich darum, das, was wir entwickelt haben, als Landeslösung auszurollen. Und zeitgleich hat es natürlich die Verpflichtung, mit anderen Bundesländern zu sprechen. Wir haben in kleinen, bilateralen Gesprächen viele Kontakte geknüpft, weil der ein oder andere von uns schon gehört hat. Oft kommt da das Feedback, dass sie das über die Landesebene versuchen, weil es immer Landesbauordnungen gibt. Deshalb kann man als Kommune gern selbst etwas machen, das ist aber eigentlich Mehrarbeit, weil die Formulare und Inhalte dieses Verfahrens durchs Land definiert werden. 


Nina: Das heißt, man entwickelt selbst etwas und muss es dann doch wieder ändern, weil das Land es anders haben möchte?


Yvonne: Ja - ich bringe gerne folgendes Beispiel an: wir haben mit viel Aufwand diesen Assistenten entwickelt, der gemeinsam bearbeitet werden kann. Und wenn sich jetzt in der Bauaufsichtsbehörde jemand einfallen lässt "Ich will die Augenfarbe des Bauherren abfragen", müsste ich erstmal was davon erfahren. Dann würde ich mich hinsetzen und das Formular anpassen. Und da wir mehrere Bauaufsichtsbehörden im Land haben, müssten das alle 10 bis 15 Verantwortlichen gleichzeitig machen. Cleverer und effizienter wäre es ja, wenn derjenige, der sich "oben" die Augenfarbe einfallen lässt, auch gleich das Formular ändert. Und das ist auch unser Ziel: Wir haben das selbst entwickelt, um uns mit Wissen aufzusatteln und die technischen Möglichkeiten zu bekommen, aber die Durchführung sollte beim Land liegen. 


Nina: Wenn es schon als Vorlage für alle gelten soll, ist es ja nur sinnvoll, wenn sich das Land darum kümmert, das zu pflegen. 


Yvonne: Genau. Aber da darf man auch kein Problem damit haben, dass die dann sagen "An der Stelle ist die Lösung aber blöd". Dann ist sie an der Stelle eben blöd - dann sag mir, wie ich es besser machen kann (lacht).


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