Agilität im Alltag
Stadt-Gespräche — Folge 17
In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge sprechen wir mit Thomas Schäfer darüber, wie agile Arbeitsmethoden und Werkzeuge den Arbeitsalltag unterstützen können.
Nina da Costa: Ihr arbeitet in eurem Projekt Arbeiten 4.0 auch selbst agil. Hast du Beispiele, wie sich diese Art der Arbeit in deinem Alltag zeigt?
Thomas Schäfer: Ich habe in meinem Büro ein Kanban-Board hängen: einfach ein Papier mit Strichen drauf, auf das man Post-It’s klebt. Das ist ein agiles Hilfsmittel. Manche glauben, das wäre neu, aber eigentlich kommt das Konzept aus dem letzten Jahrhundert. Ansonsten setzen Björn (Schoppohl, Anm.d.R) und ich uns regelmäßig zusammen und besprechen, was zu tun ist, und das stoßen wir dann an. Wir haben da nicht jedes Mal irgendwelche Konzeptionsphasen, sondern überlegen einmal, was Vor- und Nachteile sein könnten und wen wir ins Boot holen müssen. Wir haben im Moment auch noch keine geteilte Plattform, kein gemeinsames Kanban-Board und keine Scrum-Meetings. Wir sind aber auch nur zu zweit, da wäre das vielleicht ein bisschen übertrieben. Ansonsten reagieren wir auf Anfragen und wenn irgendwas nicht funktioniert, kümmern wir uns darum.
Nina: Diese flexibleren Arbeitsweisen, wie das Kanban-Board oder Home Office, sind für dich aber nichts Neues, oder?
Thomas: Genau, ich kenne das von der Uni. Da macht man Projekte und setzt sich dann zusammen. Man trifft sich jede Woche und alle erzählen von ihrem Fortschritt. Und wenn irgendwas nicht läuft, setzen sich alle über Skype in Verbindung und lösen das Problem. Es kann nicht jeder in der Verwaltung so mobil und flexibel arbeiten. Aber ich kann das tun und finde das auch gut.
“Man schafft einen Raum, in dem alle gleich sind, es keine Hierarchien gibt und ein angenehmes Klima herrscht.”
Nina: Gab es etwas, was dich am Anfang an agiler Arbeit überrascht hat?
Thomas: Ich finde Design Thinking-Methoden immer noch total faszinierend, wenn die bei Veranstaltungen, Kongressen oder Workshops benutzt werden: man schafft einen Raum, in dem alle gleich sind, es keine Hierarchien gibt und ein angenehmes Klima herrscht. Von der Uni kenne ich das auch: erstmal sind keine Meinungen verboten.
Nina: Keine Idee ist schlecht.
Thomas: Genau. Und: sag nicht “aber”, sondern sag “und”: baue auf den Ideen der anderen auf. In solchen Workshops wird dann gesagt: Ihr habt jetzt zehn Minuten, um euch zwanzig kurze Ideen auszudenken. Danach habt ihr zwei Minuten, um euch die beste auszusuchen, und dann stellt jeder seine vor. Da überrascht es mich jedes Mal, wie schnell Leute, die sich nicht für kreativ halten— und ich zähle mich dazu — doch etwas Produktives hinkriegen, und wie schnell man Ideen entwickelt. Oder “Crazy Eight”: man entwickelt acht Ideen in acht Minuten, die man auf einen Zettel malt. Dann wirft man sieben der Ideen weg und stellt nur die eine gute vor. Ob die dann wirklich gut ist, ist ein bisschen Zufall.
Nina: Darum geht es dabei aber auch nicht.
Thomas: Genau, es geht darum, schnell Lösungen zu schaffen. Ich saß vor einem Jahr bei Microsoft mit 150 Leuten in einem Raum, die alle acht Bilder gemalt haben. Sagen wir mal, jeder hat nur vier geschafft. Selbst dann hast du in acht Minuten 600 Ideen generiert. Und irgendeine gute ist sicherlich dabei.
“Da merkt man selbst erstmal, wie destruktiv man oft ist, und dass man doch immer erst die Bedenken sieht.”
Nina: Und wenn es nur eine ist.
Thomas: Ich finde es auch total gut, diese Atmosphäre zu schaffen, in der wirklich alle frei reden und keine Angst vor dem Chef haben. Das ist sicherlich nicht die Regel, aber das kommt auch vor.
Nina: Du hattest eben “Sag nicht ‘aber’, sag ‘und’” erwähnt — Ich kenne das auch aus der Improvisation beim Theaterspielen: Man baut auf den Ideen der anderen auf, anstatt ihnen zu widersprechen. Ich habe schon von Schauspielern gehört, dass sich diese Grundeinstellung auch in ihren Alltag einschleicht: Dass sie vom “aber” weggehen und stattdessen zusammenarbeiten.
Thomas: Das ist natürlich cool, aber… (lacht). “Aber”: Da merkt man selbst erstmal, wie destruktiv man oft ist, und dass man doch immer erst die Bedenken sieht.
“Man denkt: mein Kopf explodiert vor Sachen, die noch erledigt werden müssen — obwohl sie am Ende alle nicht so wichtig sind.”
Nina: Bleiben wir doch direkt im negativen Bereich: Gibt es im Bereich agile Arbeit denn Dinge, die dir schwer fallen oder bei denen du aufpassen musst?
Thomas: Gerade, was diese Flexibilisierung angeht: theoretisch jederzeit die technischen Möglichkeiten zu haben, um arbeiten zu können. Das hat mir am Anfang sehr stark zu schaffen gemacht. Da lag ich jeden Abend im Bett und habe darüber nachgedacht, was man alles noch machen könnte. Dann stehe ich nachts auf und schreibe eine Seite Text runter. Das kann man vielleicht eine gewisse Zeit lang machen, das ist aber nicht gesund. Damit kämpfe ich und das beschäftigt mich viel. Ich kann es nicht so gut abstellen, wenn ich eine Idee habe. Ich habe nicht so viele gute Ideen, da muss ich die nutzen, die ich habe (lacht). Ich glaube aber, das ist auch eine Belastung, die unsere Generation hat: dass niemand ordentlich abschalten kann, weil man immer drei Sachen gleichzeitig macht, am Abend im Bett liegt und denkt: mein Kopf explodiert vor Sachen, die noch erledigt werden müssen — obwohl sie am Ende alle nicht so wichtig sind.
Nina: Vor allem, wenn man seine Arbeit gerne macht.
Thomas: Genau. Aber ich glaube, dass es auf Dauer gefährlich ist. Wenn ich das noch zehn Jahre mache, kannst du mich einweisen. Das geht nicht gut. Aber ich akzeptiere es im Moment noch und habe es auch schon zurückgefahren. Ich kriege immer zu hören: “Lies keine E-Mails, bevor du im Büro bist”. Ich lese sie dann heimlich in der Bahn (lacht). Aber nicht zu Hause.
Nina (lacht): Du liest heimlich Arbeits-Mails?
Thomas (lacht): Ja… Wie Banane das ist.
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