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Stadt-Gespräche - Folge 32

In den Stadt-Gesprächen vom Bochumer Start-up ShiftDigital sprechen wir mit Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In unserer letzten Folge mit Christian Hannusch sprechen wir über seine Pläne für das neue Ideen-Management der Stadtverwaltung Bochum.

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Nina da Costa: Du bist für das Ideen-Management der Stadt Bochum zuständig. Aber zur Zeit existiert das gar nicht mehr, oder?

Christian Hannusch: Der Begriff "Ideen-Management" ist neu: Es gab ein betriebliches Vorschlagswesen, das ein Teil des Ideen-Managements ist. Jede*r Beschäftigte hatte in den letzten vierzig Jahren die Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge aus dem eigenen oder einem anderen Bereich zu Papier zu bringen und einzureichen. Das wurde geprüft, und wenn es eine gute Idee war, wurde sie prämiert. Jetzt fällt einem auf: da ist noch nichts mit der Umsetzung passiert. Ideen-Management ist also mehr als dieses betriebliche Vorschlagswesen.

"Dass die Beschäftigten immer noch eine ganze Menge Ideen haben, was man verbessern kann, steht außer Frage."

Nina: Das heißt, du möchtest das alte System generalüberholen?

Christian: Es war kein schlechtes System, da sind viele gute Sachen rausgekommen und auch eine Menge guter Ideen eingegangen. Von denen, die für gut befunden wurden, wurden auch nicht wenige umgesetzt. Aber das System ist eingeschlafen, weil es nicht beworben wurde, und weil es einfach nicht mehr aktuell ist, im gesamten Stadtgebiet einen zentralen Briefkasten zu haben, in den man seine Idee auf einem Vordruck einwerfen kann. Im alten System gab es eine Bewertungskommission; bis 2014 einmal im Jahr und dann gar nicht mehr, weil es irgendwann einfach sehr wenige eingereichte Ideen gab. 2018 hat man diese Regelung außer Kraft gesetzt, weil in den Jahren davor nur 35 Vorschläge gekommen sind - in vier Jahren, von 6000 Beschäftigten. Aber dass die Beschäftigten immer noch eine Menge Ideen haben, was man verbessern kann, steht ja außer Frage.

"Man kann immer etwas verbessern, aber nur derjenige, der in dem Bereich arbeitet, hat den realistischsten Anwenderblick darauf."

Nina: Warum braucht man ein internes Ideen-Management?

Christian: Gerade auf die Stadtverwaltung bezogen haben wir ganz viele verschiedene, umfangreiche Aufgaben, die sehr speziell sind und mit denen sich teilweise nur sehr wenige Menschen befassen. Und man kann immer etwas verbessern, aber nur, wer in dem Bereich arbeitet, hat einen realistischen Anwenderblick darauf. Stichwort "wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß": Wenn im produzierenden Gewerbe jemand den ganzen Tag an einer Maschine steht, kann er besser beurteilen, was man da verbessern kann als der Typ im Management, der BWL studiert und noch nie eine Maschine gesehen hat. Das gilt auch für die Stadtverwaltung: wenn jemand in einem Bereich arbeitet und denkt: "Das könnten wir auf anderem Weg einfacher machen", muss er die Möglichkeit haben, das einzureichen.

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Nina: Das muss aus den Prozessen kommen.

Christian: Genau. Und wenn wir Veränderung anstoßen wollen, dann kann das nicht immer nur von oben kommen. Der Oberbürgermeister wird im Detail nicht wissen, was der Sachbearbeiter im Jobcenter den lieben, langen Tag macht. Er muss natürlich wissen, was das Jobcenter macht. Aber der wird die Detailfragen nicht kennen, weil er sich damit gar nicht befassen kann und muss. Und dafür brauchen wir ein Ideen-Management: weil die Änderung nur von oben durchgesetzt werden kann, aber der Anstoß dazu nicht immer von oben kommen kann oder sollte. Nur, wer den Prozess kennt, kann ihn auch kritisch hinterfragen.

"Zu sagen: Da hatte jemand eine gute Idee, die wir umgesetzt haben, und boah, ist das geil geworden - das ist ultimative Wertschätzung."

Nina: Wie hängt die Bereitschaft, Ideen von Beschäftigten anzunehmen und umzusetzen, mit Wertschätzung zusammen?

Christian: Das ist ein absoluter Zusammenhang. Die Umsetzung von guten Ideen ist fast eine Reinform von Wertschätzung. Wertschätzung sagt ja: "Ich finde gut und korrekt, was du sagst". Aber es ist nicht wertschätzend, wenn ich sage "das ist eine gute Idee, hier hast du eine Geldprämie und wir sind dann fertig mit dem Thema". Klar ist so eine Prämie nett, aber die Umsetzung selbst und den Erfolg daraus zu sehen und bestenfalls bekannt zu machen, zu sagen "Da hatte jemand eine gute Idee, die wir umgesetzt haben, und boah, ist das geil geworden" - das ist ultimative Wertschätzung.

Nina: Es können ja auch schlechte Ideen eingereicht werden…

Christian: Klar, und das ist auch Wertschätzung. Zu sagen: "egal, welche Idee du hast, die ist es erstmal wert, angehört zu werden." Ich nehme meine Mitarbeiter*innen ernst. Wenn ich allen gleichermaßen die Möglichkeit gebe, Ideen einzubringen, ob es der Gärtner im technischen Betrieb oder die Amtsleiterin im Rechnungsprüfungsamt ist. Egal, ob man Jura studiert oder eine Gärtnerausbildung hat: alle sind gleichermaßen berechtigt, befähigt und auch bestenfalls berufen, eine Idee einzureichen, und sie wird auch nach den gleichen Maßstäben geprüft. Das ist eine sehr hohe Form von Wertschätzung.

"Die Leute müssen die Idee veröffentlichen und zur Diskussion stellen können, sodass eine umfangreiche Debatte möglich wird."

Nina: Wenn ich zum Beispiel vorschlagen möchte, dass jedes Büro mindestens einen Gymnastikball bekommen sollte, weil das gut für den Rücken ist - was muss ich tun, um meine Idee einzureichen?

Christian (lacht): Wenn ich diese Frage abschließend beantworten könnte, wäre ich mit meinem Job fertig. Genau das entwickle ich gerade noch und da gibt es noch ein paar offene Fragen. Aber grundlegend: Die Leute müssen die Idee veröffentlichen und zur Diskussion stellen können, sodass eine umfangreiche Debatte möglich wird - über das Büro hinaus, in dem sich jemand einen Gymnastikball wünscht. Und dann muss ganz klar sein, wer Adressat dieser Idee ist. Erstmal sind das natürlich alle Beschäftigten: "Ich habe eine Idee, wie seht ihr das?" Und dann muss der Adressat derjenige sein, der sie auch umsetzen kann. Also die zentrale "Sitzball-Einkaufstelle" Bochums. Die gibt's natürlich nicht, aber…

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Nina: Noch nicht.

Christian (lacht): Die wird's wahrscheinlich auch nie geben. Aber es muss eine zentrale Stelle geben, die sowas veranlassen kann. Also: erstmal erfahren alle von der Idee, und diejenigen, die sie gut finden, können sie auch erweitern. Wenn jemand die Idee nicht gut findet, bringt das der Diskussion glaube ich nur bedingt etwas. Klar, wenn man mit einer Kommentarfunktion arbeitet, kann man auch sachliche Kritik anbringen. Aber die Umsetzung steht im Vordergrund, und dafür sind Sachargumente wichtig.

"Veränderung heißt nicht, dass mir jemand etwas wegnimmt, sondern dass es für alle anders wird, und bestenfalls auch besser."

Nina: Warum hat dich das Thema überhaupt gereizt?

Christian: Weil ich der Meinung bin, dass sich in der Stadtverwaltung eine Menge ändern muss und wir mit der Änderungsbereitschaft zu sehr in der Vergangenheit hängen. Das zieht sich durch alle Kommunalverwaltungen, aber auch durch Landes- und Bundesbehörden. Wir leben in einem Land, das manchmal ein bisschen zu langsam und konservativ ist - zu diskussionsfreudig und entscheidungs-unfreudig. Deswegen hat mich das Ideen-Management gereizt: weil es notwendig ist, sowas zu betreiben. Ob ich jetzt der Richtige dafür bin, wird sich zeigen. Aber das ist ein Thema von hoher Bedeutung, weil wir durch Digitalisierung, demographischen Wandel, Zuwanderung und eine globalisierte Gesellschaft vor einem unglaublichen Gesellschaftsumbruch stehen. Wenn wir es nicht schaffen, den rechtzeitig in einem vernünftigen, demokratischen Sinne zu definieren, wird die Änderung durch andere erfolgen, die wir uns heute gar nicht vorstellen können. Und die wir uns vermutlich auch nicht wünschen würden. Im allerschlimmsten Fall. Das bezieht sich jetzt nicht auf ein Ideen-Management bei der Stadt Bochum (lacht). Wenn wir das nicht machen, geht die Welt nicht unter.

Nina: Zum Abschluss unseres spannenden Gesprächs: Was ist dein Appell an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verwaltungen in ganz Deutschland?

Christian: Selbstreflexion ohne Angst. Nicht so viel Angst vor Veränderung zu haben. Aber genauso wenig naiv zu sein und zu glauben, dass alles gut war, was wir mal gemacht haben und das alles schlecht ist, was man anders machen kann. Ich glaube auch nicht, dass das auf alle zutrifft, aber das ist der Appell: Veränderung auch positiv zu sehen. Veränderung heißt nicht, dass mir jemand etwas wegnimmt, sondern dass es für alle anders wird, und bestenfalls auch besser. Und schlimmstenfalls bleibt es halt, wie es ist.

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