Die Führungskraft als Ermöglicher
Stadt-Gespräche — Folge 20
In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge erklärt Ralf Engels, wieso für ihn das Mindset der Führungskraft der wichtigste Faktor für die Zufriedenheit im Job ist.
Nina da Costa: Hast du vor eurem aktuellen Projekt im Tiefbauamt (mehr dazu in späteren Folgen, Anm. d. Red.) schon mal agil gearbeitet?
Ralf Engels: Ja, ich habe früher mit agilen Teams zusammengearbeitet, aber auch klassische Scrum-Projekte gemacht. Das war immer eine schöne Lösung. Wir haben international gearbeitet, also war das Team selten an einem Ort, und das ließ sich anders fast nicht organisieren. Wir brauchten eine zentrale Anlaufstelle, damit alle die Aufgaben kennen. Und wir brauchten eine vernünftige Organisation, mit der wir uns gegenseitig auf den neuesten Stand bringen konnten: wer ist gerade wo, was fehlt noch, wo müssen wir einander unterstützen? Es war nicht so, dass man eben ins Nachbarbüro geht, sondern im ungünstigsten Fall musste man auf die Uhr schauen und sich überlegen…
Nina: In zwölf Stunden kann ich mich melden.
Ralf: So ungefähr. In sieben, acht Stunden stehen die Kollegen auf, dann kann man vielleicht nochmal mit denen sprechen, sonst schreibe ich eine Mail und muss morgen früh telefonieren.
“Wir haben uns an agilen Methoden orientiert, uns daraus ein paar Werkzeuge genommen und sie für uns aufbereitet.”
Nina: Es ging einfach nicht anders.
Ralf: Genau. Ich weiß auch nicht, ob jemand, der bei uns eine Scrum-Prüfung abgenommen hätte, sagen würde: “Ihr macht Scrum”, oder ob der sagen würde: “Ihr macht irgendwas, aber nichts, was mit Scrum zu tun hat”. Wir haben uns an diesen agilen Methoden orientiert, uns daraus ein paar Werkzeuge genommen und sie für uns aufbereitet. Das war das Wesentliche, neben Videotelefonie — dass man sich anrufen, einen Bildschirm teilen und gemeinsam auf ein Projekt oder Problem schauen kann. Dann spielt es auch keine Rolle mehr, wer wo sitzt, und wer wann wo sitzt. Aber dann dehnt sich der Arbeitstag. Das ist vielleicht für jemandem, der gerne von sieben bis vier arbeitet, nicht optimal, weil man teilweise um fünf aufstehen muss, um mit Kollegen zu sprechen, oder abends um acht noch eine Telefonkonferenz hat. Aber das gehörte dazu und hat auch nicht dazu geführt, dass ich von morgens fünf bis abends acht gearbeitet hätte.
Nina: Du hast deine Arbeitszeit angepasst.
Ralf: Genau, es gab einfach mal drei Stunden Pause zwischendurch. Ich habe zum Beispiel morgens von zu Hause aus eine Telefonkonferenz gemacht, gemütlich mit der Familie gefrühstückt, mich noch eine Stunde anderweitig beschäftigt, Sport gemacht, und dann bin ich ganz normal zur Arbeit gefahren. In der Regel hat man auch nicht morgens und abends einen Termin. Das war gut handhabbar und es hat mir immer Spaß gemacht, so zu arbeiten.
“Ich möchte gerne mit jemandem zusammenarbeiten, der die gleichen Ideen und Werte hat.”
Nina: Warum bist du dann in die Verwaltung gegangen? Sie hat ja nicht unbedingt den Ruf, so zu arbeiten.
Ralf (lacht): Das stimmt, da wäre ich auch nie von selbst drauf gekommen. Im Prinzip ging es mir darum, dass ich gerne mit jemandem zusammenarbeiten möchte, der die gleichen Ideen und Werte hat, hinsichtlich wie man arbeitet, und auch in welche Richtung man sich entwickeln möchte. Den Abteilungsleiter der Entwässerungsabteilung im Tiefbauamt kenne ich seit mehr als zehn Jahren, wir haben zusammen schon einige Projekte gemacht. Er hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, weil er gerade eine Stelle ausgeschrieben hatte, von der er fand, dass sie auf mich gut passen würde.
Nina: Und das hast du dir dann seinetwegen überlegt?
Ralf: Genau. Ich dachte, dass es genau das Richtige wäre, weil ich das Gefühl hatte, er ist der richtige Typ. Er ist in der Position, in der er Ermöglicher sein kann und er will auch etwas ermöglichen. Wir sprechen die gleiche Sprache. Deswegen habe ich mich beworben. Wir haben uns viel abgestimmt und Richtungen festgelegt, in die wir uns bewegen wollen, und das umgesetzt. Bis hin zu unserem agilen Projekt, das wir gemeinsam angegangen sind. Ich glaube, dass wir uns im letzten Jahr ganz gut gegenseitig unterstützt haben, und das war für mich der Grund. Verwaltung hat für mich in dem Moment gar keine Rolle gespielt. Mir war wichtig, dass ich mit einer Person zusammenarbeite, die das gleiche Mindset hat.
“Wenn die Argumentation nicht nachvollziehbar ist, sage ich das — und weiß auch, dass ich die Aufforderung habe, es zu sagen.”
Nina: Sodass du nicht die Situation haben wirst, dass du sagst: “Ich würde das gerne so und so ausprobieren” und deine Führungskraft sagt aus Prinzip “Nein”.
Ralf: Das ist eigentlich ausgeschlossen, ja. Wenn ein “Nein” kommt, gibt es eine Argumentation dazu, und wenn ich diese Argumentation nachvollziehen kann, ist es sofort in Ordnung. Wenn die Argumentation nicht nachvollziehbar ist, sage ich das — und weiß auch, dass ich die Aufforderung habe, etwas dazu zu sagen. Und dann wird das ausdiskutiert und man findet die beste Lösung für die Abteilung. Das hat vorher schon funktioniert, als er im Prinzip mein Kunde war.
Nina: Daher kanntet ihr euch?
Ralf: Genau, er hat die Software eingesetzt, die ich in dem Unternehmen vertrieben habe, in dem ich gearbeitet habe. Insofern wusste ich schon sehr viel über die Projekte, an denen er gearbeitet hat. Ich wusste auch, dass er die gerne in der Verwaltung umsetzen möchte. Und wir sind bis heute, auch nach einem Jahr, noch einer Meinung, was die Richtung, die Entwicklung und auch die konkrete Arbeit in den Projekten angeht. Insofern ist es ein absoluter Gewinn, hierher gekommen zu sein; mit allen Herausforderungen, die die Verwaltung so mit sich bringt, trotzdem umzugehen und sich einfach auf den richtigen Weg zu begeben.
“Ich habe überlegt, was das Kriterium war, wenn es mir irgendwo nicht mehr gefallen hat, und das konnte ich schnell mit meinen Vorgesetzten korrelieren.”
Nina: Es war aber in erster Linie ein menschlicher Grund, der dich in die Verwaltung gebracht hat?
Ralf: Ja. Ich habe überlegt, was immer das entscheidende Kriterium war, wenn es mir irgendwo nicht mehr gefallen hat. Und das konnte ich relativ schnell mit meinen Vorgesetzten korrelieren: Wenn die gewechselt haben oder deren Intention gewechselt hat, war das immer der Auslöser. Und deshalb habe ich mir gedacht: warum soll ich mir einen fachlichen Grund für eine Tätigkeit suchen? Den brauche ich nicht mehr. Ich habe fachlich einen Kenntnisstand, mit dem ich in vielen Bereichen arbeiten kann. Man lernt immer dazu, und ich will auch dazulernen. Ich habe keine Lust auf einen Job, in dem ich nur noch das anwende, was ich schon kenne. Und wenn die menschliche Komponente nicht passt, wenn das Bauchgefühl nicht gut ist…
Nina: Hält man sowieso nicht lange durch.
Ralf: Genau, und nicht darauf zu hören, weil man glaubt es wäre “nur ein Bauchgefühl” — das funktioniert nicht. Zudem, und das ist der zweite Punkt: Ich habe fünfzehn Jahre lang versucht zu verstehen, wie Verwaltung funktioniert, weil sie im Wesentlichen meine Kundin war. Und ich bin gescheitert. Viele, denen ich erzählt habe, dass ich zur Stadtverwaltung Bochum gehe, haben gefragt, was ich denn da will. Da habe ich gesagt, dass es mehrere Gründe hat. Ich glaube, es ist fachlich furchtbar interessant, und das hat sich total bestätigt. Und ich möchte verstehen, warum Verwaltung so funktioniert, wie sie funktioniert.
Nina: Bist du da schon vorangekommen?
Ralf: Ja, wenn ich mit meinem Kenntnisstand von heute zurückgehen würde, um Verwaltungen zu betreuen, würde ich das ganz anders machen.
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