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Stadt-Gespräche — Folge 12

In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge sprechen wir mit Ralf Engels darüber, wie man die Silos in der Stadtverwaltung aufbrechen könnte.

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Nina da Costa: Wir sind ja im Ruhrgebiet — machen die Bergbauschächte eure Arbeit im Tiefbauamt denn zu einer besonders schwierigen Aufgabe?

Ralf Engels: Eigentlich spielen die keine Rolle, weil sie in der Regel deutlich tiefer liegen. Aber dadurch, dass sie nicht mehr in Benutzung sind, fangen sie zum Teil an, nicht mehr so stabil zu sein oder einzustürzen. Immer, wenn wir eine Baumaßnahme durchführen, müssen wir prüfen lassen, ob unter der Baustelle früher mal irgendetwas abgebaut wurde. Und wenn ja müssen wir untersuchen lassen, ob das unsere Baustelle gefährden könnte. Das betrifft praktisch den gesamten Bereich südlich der A40, also deutlich mehr als die Hälfte Bochums. Unter Umständen bedeutet Baustellensicherung dann, dass man einen Stollen mit Beton zumachen muss, damit er nicht einstürzt. Das wird natürlich richtig teuer. Das hatten wir noch nicht oft, aber es kann immer passieren und unser Budget stark belasten.

Nina: Das wahrscheinlich sowieso schon zu klein ist für das, was eigentlich alles gemacht werden muss, oder?

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Ralf: Wir haben ja eine Sonderstellung, weil wir nicht steuerfinanziert, sondern gebührenfinanziert sind: Jeder Bürger Bochums zahlt eine Abwasser- und eine Regenwassergebühr, die in der Regel in den Mietnebenkosten enthalten sind. Und wenn wir nicht genug Geld haben, um unserer Aufgabe nachzukommen, können wir diese Gebühren erhöhen. Das haben wir ewig nicht gemacht, weil es bisher nicht nötig war, aber zum Beispiel so eine Sache wie diese Bergbausicherungen — wenn das in größerem Maße auftritt, können wir irgendwann unserer Aufgabe nicht mehr nachkommen, die Kanäle in Stand zu halten. Dann könnte es passieren, dass wir die Gebühren erhöhen.

“Wenn man — überspitzt gesagt — keine Bleistifte kaufen, aber für 5 Mio. Euro einen Kanal bauen kann, stellt man sich schon die Frage, was das eigentlich soll.”

Nina: Wie ich bisher mitbekommen habe, ist es nicht selbstverständlich, dass Städte genug Finanzierung bekommen, um das zu tun, was eigentlich alles getan werden muss. Deshalb habe ich gefragt.

Ralf: Das kann ich mir gut vorstellen. Es gibt einige Punkte, an denen wir diesen Bereich tangieren, und da merken wir das sehr deutlich. Wenn man auf einmal — ich überspitze jetzt — keine Bleistifte kaufen, aber für 5 Millionen Euro einen Kanal bauen kann, stellt man sich schon die Frage, was das eigentlich soll. Da sieht man sehr schön diesen strukturellen Unterschied. Und wir sind da so ein bisschen an der Schnittstelle.

Nina: Wahrscheinlich auch ein guter Ansatzpunkt, um mal anders zu arbeiten, als es für klassische Verwaltung der Fall ist.

Ralf: Ja, klar. Wir haben schon eine andere Grundstruktur, wie z.B. das Grünflächenamt oder der technische Betrieb auch. Die haben viele Menschen, die den ganzen Tag draußen sind. Und bei uns sind das auch einige. Es ist ja wichtig für ein Amt, dass sich die Verwaltung in den Ämtern nochmal selbst verwaltet. Darüber habe ich am Anfang gelacht, aber dann habe ich gemerkt: das geht schon schneller. Ich wäre auch nie in die Verwaltung gegangen, wenn ich nicht von Vornherein gewusst hätte, dass ich als Ingenieur arbeite. Aber dass es sich trotzdem nicht ausschließen muss, finde ich, zeigt das Tiefbauamt wirklich ganz gut, weil da viele Leute sind, die eher bauen, Software programmieren, oder mit Messgeräten und am Computer mit Modellen arbeiten.

“Es gibt kein Verständnis für unsere speziellen Anforderungen.”

Nina: Bei euch gibt es also eine gewisse Dankbarkeit für diese “Selbstverwaltung”, die sich um die Sachen kümmert, die nichts mit eurem technischen Bereich zu tun haben?

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Ralf: Die gibt es, aber es hat natürlich Vor- und Nachteile. Es gibt kein Verständnis für unsere speziellen Anforderungen. Das ist ein ganz klassisches Problem, und ein großes: dass ein Verständnis für gewisse Dinge schlicht nicht da ist, macht es sehr mühsam. Vor allem wenn das, was man braucht, nicht unter die Gebühren fällt, wie Rechner oder Software. Sonst könnte man sagen: die finanzieren wir mit aus dem Gebührenhaushalt und kaufen die Rechner, die wir wirklich brauchen. Stattdessen kriegen wir die Rechner, die alle kriegen, vielleicht mit ein bisschen mehr RAM-Speicher.

“Lasst uns einen Workshop machen — einfach mal unsere Anforderungen definieren, damit wir ein besseres Verständnis voneinander bekommen.”

Nina: Könnte man nicht Workshops organisieren, in denen ihr erklärt, was die Grundprinzipien eurer Arbeit sind, und die Verwaltungsmitarbeiter erklären euch das umgekehrt? Damit ihr ein bisschen näher aneinanderrückt?

Ralf: Das wäre total wichtig. Ich glaube, das ist wieder dieses klassische Problem: dass der Rest der Verwaltung glaubt, wir seien genauso. Deswegen gibt es diese Idee einfach nicht, dass man nach den spezifischen Anforderungen fragen könnte. Zumindest habe ich es noch nicht erlebt. Es wäre also schon spannend zu sagen: “Lasst uns einen Workshop machen — einfach mal unsere gegenseitigen Anforderungen definieren, damit wir ein besseres Verständnis voneinander bekommen.” Das wäre sehr sinnvoll. Und das würde ich nicht nur auf Beschaffungen und IT beziehen, sondern ganz grundsätzlich auf Silodenken in der Verwaltung. Aber sowas wäre natürlich eine strukturelle Herausforderung.

“Man sieht ja sogar die Silos — Gebäude, Abteilungen, die sich abschotten, mit geschlossenen Türen und verspiegelten Scheiben.”

Nina: Klar.

Ralf: Ich würde gern einfach sagen: “Wir machen diesen Termin nächste Woche, da werden schon genug Leute Zeit haben.” Aber man rüttelt ja an den Grundfesten der Verwaltung, wenn man sowas tut! Also, das ist zumindest mein Gefühl (lacht). Man sieht ja sogar die Silos — Gebäude, Abteilungen, die sich abschotten, mit geschlossenen Türen und verspiegelten Scheiben. Das ist keine Kultur, wo man sagt: Ich kann da mal hingehen und mir angucken, was die tun, mit denen mal reden oder zu Mittag essen gehen. Ich weiß noch nicht mal, wer da arbeitet! Ich sehe die Leute ja nie. Also, ich finde es schon schwer genug mit den Silos innerhalb der Abteilung.

Nina: Wie viele Leute seid ihr denn?

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Ralf: Wir sind knapp 100 in der Abteilung mit fünf Sachgebieten, und jedes Sachgebiet ist ein Silo. Innerhalb der Sachgebiete gibt es dann teilweise auch nochmal Silos — je nachdem, welche technischen Abgrenzungen es gibt. Da haben die Menschen auch relativ wenig miteinander zu tun, obwohl sie in einem Sachgebiet sind. Wir treffen uns zwar einmal die Woche und machen eine Runde, in der wir schauen: ist irgendwas passiert, gibt es übergreifende Informationen, die für alle Interessant sind, wie neue Großprojekte? Wir bleiben aber in unserem Silo und gehen selten in die Sachgebietsrunden der anderen, um mal zu hören, was dort passiert.

“Unser agiles Projekt hat dazu beigetragen, dass wir mit den verschiedenen Sachgebieten gearbeitet und viel Verständnis füreinander gewonnen haben.”

Nina: Und wie wünschst oder stellst du dir vor, dass das im Idealfall ablaufen würde?

Ralf: Da muss ich mir grade an die eigene Nase fassen — ich glaube nicht, dass es mir verboten wäre, in ein anderes Sachgebiet zu gehen. Da könnte ich natürlich mehr erfahren. Unser Abwasserbeseitigungskonzept-Projekt, an dem wir uns agil versucht haben, hat tatsächlich dazu beigetragen, dass wir mit den verschiedenen Sachgebieten zusammengearbeitet und sehr viel Verständnis füreinander gewonnen haben. Aber eigentlich hast du recht: vielleicht sollte ich einfach mal häufiger in andere Sachgebietsrunden gehen. Wenn wir als neue Mitarbeiter anfangen, macht man das: in jedem Sachgebiet geht man einmal in diese Runde und hört zu, bekommt einen Eindruck. Aber wenn man als neuer Mitarbeiter hinkommt, versteht man nicht so viel und versucht auch erstmal, sich die ganzen Gesichter einzuprägen.

Nina: Der soziale Faktor ist in dem Moment größer.

Ralf: Genau, der ist viel größer. Aber eigentlich müsste man das regelmäßiger machen, weil ich schon sagen muss, dass es Sachgebiete gibt, mit denen ich nicht viel zu tun habe und wo ich schlicht nicht weiß, was bei denen passiert.

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