Die Verwaltung als Vorbild
Stadt-Gespräche — Folge 10
In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge sprechen wir mit Christian Hannusch über die Vorteile und den Ablauf eines Studiums bei der Stadtverwaltung.
Nina da Costa: Was fandest du am Studium bei der Stadtverwaltung reizvoll?
Christian Hannusch: Dass man fürs Studieren bezahlt wird, und das nicht zu knapp. Ich bin damals, vor ein paar Tarifrunden, mit etwas über 900 Euro netto nach Hause gegangen. Da war nichts mit Kindergeld und BAföG, sondern ich wurde fürs Studieren bezahlt. Das war schon in Ordnung.
Nina (lacht): Das war “in Ordnung”?
Christian (lacht): Ja. Es sind heute, glaube ich, 1300 Euro brutto. Bei Beamten bedeutet das nur Einkommenssteuer, da geht keine Arbeitslosenversicherung runter. Das sind wahrscheinlich ungefähr 1100 Euro netto, die man in drei Jahren Studium monatlich bekommt.
Nina: Ist das bei den Azubis auch so?
Christian: Ja klar. Wir haben viele Ausbildungsverhältnisse im Angestelltenverhältnis, die nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt werden. Da kommt gut was zusammen.
“Der Ausbildungsberuf Gebäudereiniger ist hochspezialisiert, und die verdienen echt gutes Geld, schon als Auszubildende.”
Nina: Da ist die Stadt ein gutes Vorbild für Unternehmen.
Christian: Auf jeden Fall. Nicht in jedem Bereich, zum Beispiel können wir in der IT nicht mit dem mithalten, was die Privatwirtschaft bezahlt. Die, die bei uns das duale Studium anfangen, schaffen es in der Regel gar nicht bis zum Ende, weil sie sich vorher abwerben lassen. Aber zum Beispiel im handwerklichen Bereich ist das bei der Stadt anders: Straßenbauer, Kanalbauer, Gärtner, oder auch Gebäudereiniger - man sagt immer, die in der Reinigung verdienen so wenig. Das stimmt nicht, weil genau dieser Ausbildungsberuf hochspezialisiert ist. Und die verdienen echt gutes Geld bei uns, schon als Auszubildende. Also in den handwerklichen Bereichen, sind wir schon Vorbild für viele Privatunternehmen. Und durch Tarifsystem und Beamtenbesoldung steigt das Geld regelmäßig, auch, wenn ich mich nicht auf eine höherwertige Stelle bewerbe und befördert werde. Wenn ich da bleibe, wo ich bin, komme ich trotzdem finanziell ein bisschen vom Fleck, je nachdem, wie lange ich schon da bin.
Nina: Was aber auch nicht unbedingt einen Anreiz bietet, neue Dinge zu lernen.
Christian: Ja, vielleicht greift da so ein bisschen das Klischee der Verwaltung. Manches ist ein bisschen langsamer und die Möglichkeit der Veränderung ist vielleicht nicht so stark ausgeprägt in manchen Bereichen oder Köpfen.
“Wir haben im Jobcenter nicht von Bürgern gesprochen, sondern von Kunden. Das klingt so selbstbestimmt, trifft aber nicht zu.”
Nina: Der Druck ist auch einfach nicht so groß, es gibt keine Wettbewerber.
Christian: Ja, wer soll die Stadt Bochum denn verwalten, wenn nicht die Stadt Bochum? (Lacht) Die Stadt Essen sicherlich nicht, und die macht es ja ungefähr so wie wir. Deswegen ist zum Beispiel auch der Begriff des Kunden im Jobcenter fürchterlich fehl am Platz — wir haben da nicht von Bürgern, Antragstellern oder Betroffenen gesprochen, sondern von Kunden. Das klingt so selbstbestimmt: “Ich finde das Hartz IV vom Jobcenter doof, ich beantrage das nächstes Mal bei Vodafone, die sind schneller und zahlen mehr.” Das wäre der Kunde, der selbstbestimmt über das Produkt entscheiden kann. Aber das trifft ja nicht zu.
Nina: Welche Stationen hattest du denn konkret in deinem dualen Studium?
Christian: Es dauert drei Jahre und ist in Studienabschnitte untergliedert, die immer viereinhalb Monate dauern. Danach kommen die Praxisphasen, die jeweils drei Monate dauern. Da wird man in der Ordnungs- und der Leistungsverwaltung, im Finanz- und im Personalmanagement eingesetzt. Das heißt, ich war drei Monate bei der Feuerwehr im Personalmanagement: ich habe das Auswahlverfahren für die Brandmeister-Anwärter betreut, also die, die sich zur Ausbildung bei der Feuerwehr beworben haben.
Nina: “Brandmeister” klingt cool.
Christian (lacht): Wahnsinn, oder? Dann war ich im Personalamt, wo ich jetzt auch bin, allerdings im Bereich Controlling, also Finanzen. Ich habe berechnet, was uns die Ausbildung pro Jahr kostet, wenn zum Beispiel unsere Gärtner einen Kettensägenlehrgang machen. Einfach, um einen Überblick zu haben, welche Sachkosten neben den Lohnkosten noch anfallen. Im nächsten Praxisabschnitt war ich beim Amt für Angelegenheiten des Rates und der Oberbürgermeisterin. Da ging es darum, Reden und Grußworte zu schreiben: wenn der Kleingartenverein zum 50-Jährigen Jubiläum ein Festheft rausbringt, sind da Grußworte vom Oberbürgermeister drin. Die haben wir verfasst.
“In Bochum kriegt man zum 100. Geburtstag einen Blumenstrauß geschenkt. Das muss ja jemand organisieren — und das macht dieses Amt.”
Nina: Du hast da also vor allem Texte geschrieben?
Christian: Nicht nur. Wir haben uns auch mit anderen interessanten Sachen befasst, wie mit der Ermittlung für das Bundesverdienstkreuz. Man kann ja jederzeit einen anderen Bürger dafür vorschlagen. Und da ist meistens die Stadt vor Ort zuständig. Der Vorschlag geht dann in diesem Büro ein, etwa: “Ich habe einen Kollegen, der seit 20 Jahren ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert ist und das Bundesverdienstkreuz bekommen soll”. Unsere Aufgabe war es, Referenzpersonen zu befragen: wie siehst du das, spricht was dafür, spricht was dagegen? Und es vorzubereiten: das Kreuz vorhalten, die Preisverleihung organisieren, den Redebeitrag schreiben…
Nina: Das klingt wirklich interessant.
Christian: Auf jeden Fall. Und man befasst sich auch damit, wie die Politik auf kommunaler Ebene funktioniert, was eine Oberbürgermeisterin eigentlich macht, was die ehrenamtlichen Stellvertreter*innen machen. In Bochum kriegt man zum 100. Geburtstag einen Blumenstrauß geschenkt, das muss ja jemand organisieren — und das macht dieses Amt. Und zuletzt war ich dann im Jobcenter.
Nina: Nachdem du in der Ausbildung alles mal kennengelernt hast, weißt du wahrscheinlich auch viel besser, welcher Bereich dir liegt, oder?
Christian: Genau. Man macht Erfahrungen, bekommt einen ehrlichen Einblick in die Strukturen und sozialen Mechanismen und kriegt natürlich auch das Rauschen mit: wie wird die Arbeit des einen Amtes vom anderen beurteilt, welchen Blick haben die Menschen auf ihre eigene Arbeit. Man wird nicht dauerhaft von der Ausbildungsabteilung betreut, sondern hat vor Ort einen Ausbilder, der einem die eigene Arbeit näherbringt. Das finde ich sehr sinnvoll, weil man einen praktischen Blick auf die Stadt bekommt und im theoretischen Teil des Studiums den rechtlichen Hintergrund dazu vertiefen kann. Wenn man neun Monate Staats-, Sozial- und Zivilrecht hinter sich hat und dann in die Realität geht, sieht man: die arbeiten vor Ort gar nicht so viel mit Paragraphen, sondern viel pragmatischer. Zur Verwaltungsarbeit gehört einfach viel mehr als nur die Theorie.
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