Mut haben, um Hilfe zu bitten
Stadt-Gespräche - Folge 44
In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter:innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge erzählt Cornelia Tusk von der Bochumer Geschäftsprozessoptimierung (kurz GPO), wie sie die Veränderungen der letzten Monate wahrgenommen hat und wieso es wichtig ist, um Hilfe zu bitten, wenn man sie braucht.
Nina da Costa: Wie hast du die letzten Monate erlebt? Was war schwierig, und was vielleicht auch ein Antrieb?
Cornelia Tusk: Die letzten Monate waren für mich spannend. Zum Einen empfinde ich die ganze Situation als sehr belastend. Wir haben ja irgendwann Mitte März das Rathaus für Bürgerinnen und Bürger geschlossen - das war irre!
Nina: Das ist wahrscheinlich auch noch nie passiert, oder?
Conny: Nein, natürlich nicht - ein Rathaus ist ein öffentliches Gebäude, bei dem du dir manchmal denkst: “Was laufen hier wieder so viele Leute rum?” Aber wenn plötzlich keiner mehr da ist... Das habe ich als extrem gespenstisch empfunden. Und dann hatte ich natürlich das große Problem, dass man den Fachbereichen nicht mit strategischen Projekten kommen konnte, weil sie versucht haben, ihren Betrieb unter Corona-Bedingungen irgendwie aufrecht zu erhalten. Ich bin Anfang April mit Michaela Claas in die Bessemerstraße zum Gesundheitsamt gegangen und habe dort Nachsorge-Befundübermittlung gemacht.
Nina: Du warst also Teil dieser “Krisen”-Task Force.
Conny: Genau, für vier oder fünf Wochen. Du musst dir vorstellen: man hatte überhaupt keine Arbeitsstrukturen. Wir waren auf alles vorbereitet: auf einen Bombenanschlag, auf Hochwasser, auf eine lange Dürreperiode; aber doch nicht darauf, dass uns so ein Virus total ausknockt. Wir haben also erstmal versucht, die Arbeitsprozesse zu organisieren, und waren für die Bürgerinnen und Bürger da, die krank wurden oder in Quarantäne waren. Ich arbeite ja seit vielen Jahren im Querschnitt, und plötzlich hatte ich wieder Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern - das war toll und hat echt Spaß gemacht.
Nina: Und wie ging es nach deiner Zeit im Krisenstab weiter?
Conny: Anfang Mai wurde ich gebeten, die Wiedereröffnung der Schulen zu begleiten. Aber die Aufgaben, die es da zu erledigen galt, gab es vorher ja nicht. Wie organisiert man so einen Unterricht? Wie besorgen wir Desinfektionsmittel? Wie stellen wir die Kommunikation mit den Schulleitungen sicher? Du stehst plötzlich nach 35 Jahren Stadtverwaltung da und sagst: ich weiß auch nicht, wie das gehen soll (lacht). Das habe ich bis zu den Herbstferien gemacht, wobei seit dem Sommer auch mein eigentlicher Job wieder hochfuhr. Jetzt bin ich aus dem Pandemiestab also raus. Insofern war das letzte halbe Jahr beruflich eine spannende Zeit - wenn es auch privat sehr langweilig war, weil viele Dinge einfach nicht mehr stattfanden, die man gerne getan hätte.
Nina: Man muss aber auch sagen, dass wir im besten Zeitalter für eine Pandemie leben, was Unterhaltung zu Hause angeht.
Conny: Ja, und ganz ehrlich: wir jammern auf hohem Niveau. Wir sind nicht in unserer Existenz bedroht - da gibt es Bereiche, denen es wirklich richtig schlecht geht. Insofern war es eine glückliche Fügung, bei der Kommunalverwaltung zu arbeiten. Man merkt in so einer Situation erstmal, wie schön es ist, einen Job zu haben, der krisensicher ist und bei dem jeden Monat das Geld ankommt. Das ist schon etwas, was man zu schätzen wissen muss.
Nina: Machen wir ein kleines Gedankenexperiment. Eine gute Fee gibt dir einen Wunsch frei: Du kannst entscheiden, was morgen in der Verwaltung anders sein soll, und sie sorgt dafür, dass es passiert. Was wünschst du dir?
Conny (lacht): Also, das haut mich jetzt vom Stuhl. Vielleicht würde ich mir wünschen, dass viele Beschäftigte ihre Arbeit mehr zu schätzen und sich an den positiven Dingen erfreuen, anstatt immer nur über die Dinge zu reden, die in der Verwaltung im Vergleich zur Privatwirtschaft vielleicht suboptimal sind. Alle anderen Sachen - dass wir digital aufholen - sind Prozesse, die wir ja schon angefangen haben. Ich wüsste nicht, dass ich irgendwas jetzt sofort anders haben wollte... außer meinem Bürostuhl. (Beide lachen) Ich würde mir wünschen, dass mein Bürostuhl richtig eingestellt ist! Alles andere haben wir selbst in der Hand.
Nina: Gab oder gibt es etwas im Kontext der Digitalisierung, das dir persönlich schwerfällt?
Conny: Mit fällt es schwer, dass wir unsere Arbeitsweise total ändern und auf digitale Formate umstellen mussten. Das empfinde ich als extrem anstrengend. Natürlich sind ganztägige Workshops auch vor Ort anstrengend, aber einen sechsstündigen Workshop vorm PC zu machen, das ist eine große Herausforderung. Ich merke auch immer mehr, dass die Anforderungen an die Technik größer werden, und damit natürlich die Dinge, die man wissen muss - obwohl man eigentlich vollkommen andere fachliche Kompetenzen hat. Da muss ich echt gucken, dass ich am Ball bleibe, sonst bin ich irgendwann ein Fossil, das total abgehängt wird. Das ist insbesondere für meine Generation schwer, die noch analog aufgewachsen ist.
Nina: Da braucht man nochmal einen ganz neuen Satz an Fähigkeiten - zusätzlich zum fachlichen.
Conny: Absolut. Und dann tun die Leute immer so, als hätte man das in der Grundschule gelernt; als wäre das eine Grundrechenart, die man beherrschen müsste.
Nina: Machst du denn die Erfahrung, dass jüngere Leute da Unterstützung bieten können?
Conny: Ich habe nicht den Eindruck, dass sie einen hängenlassen, aber du musst natürlich den Mut haben zu fragen, bzw. zu sagen: jetzt zeige ich mal, dass ich das nicht weiß. Aber dann hilft dir in der Regel immer jemand. Und gerade die jungen Leute freuen sich immer, wenn sie “der Omi” was erklären können (lacht).
Nina: Ich glaube, es ist ein wichtiger Hinweis, dass man den Mut haben muss, um Hilfe zu bitten. Die werden auch nicht von sich aus zu einem kommen und fragen...
Conny: "Darf ich dir mal was erklären?" Ich bin da aber ziemlich schmerzfrei und frage häufig, ob ich das nochmal hören kann, oder vielleicht etwas langsamer.
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