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Wie agil kann eine Verwaltung wirklich werden?

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Stadt-Gespräche — Folge 29

In den Stadt-Gesprächen reden wir, vom städtischen Start-up ShiftDigital, mit Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge sprechen wir mit Ralf Engels darüber, ob man eine Verwaltung überhaupt flach und agil gestalten kann — und wenn ja, wie.

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Nina da Costa: Stell dir vor, du hättest die Superkraft, die Verwaltung mit einem Fingerschnippen so zu verändern, wie du sie gerne hättest. (Lacht) Das ist vielleicht nicht die interessanteste Superkraft — aber wie würde die Verwaltung aussehen, wenn du mit ihr fertig wärst?

Ralf Engels: Das Hauptproblem sind auf keinen Fall die Menschen, und auch nicht die Struktur alleine, sondern die Mischung. Die wäre komplett anders. Ich könnte dir jetzt nicht beschreiben, wie — aber ich habe ja eine Superkraft und muss nur mit dem Finger schnippen (lacht). Das wäre sehr viel interaktiver, kreativer, und wahrscheinlich auch chaotischer. Aber es würde funktionieren und wäre vor allem von gegenseitigem Verständnis geprägt. Wenn sich alle verstehen, aber vor allem verstehen wollen — das fände ich toll. Die Komplexität der Herausforderungen ist viel zu groß, als dass sie alleine lösbar wären. Deswegen werden ja schon viel mehr Projekte von Ämtern durchgeführt, die z.B. auf einer Fläche etwas tun wollen, und dann Grünflächenamt, Tiefbauamt usw. einladen. Und auf einmal sitzen Leute an einem Tisch, die vorher noch nie zusammengesessen haben, und diskutieren, wie eine neue Sportstätte aussehen soll. Es ist toll, dass sowas stattfindet, ich sehe aber auch Beharrungskräfte, die versuchen, bloß nichts zu verändern.

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Nina: Ich wünsche dir sehr, dass du diese Superkraft mit der Zeit entwickelst. Es würde einige Dinge leichter machen.

Ralf (lacht): Das stimmt.

Nina: Du hast schon gesagt, dass du auf jeden Fall immer weiterlernen möchtest. Was hast du denn in deiner Zeit bei der Stadtverwaltung gelernt?

Ralf: Obwohl die Struktur eigentlich gar nicht mehr in der Lage ist, der Komplexität Herr zu werden, läuft der ganze Laden. Vielleicht holpert es an der ein oder anderen Stelle, aber der Laden funktioniert. Bei uns in der Entwässerungsabteilung sieht man das auch. Es läuft mal besser, mal schlechter; es gibt immer Dinge, worüber der ein oder andere meckert. Aber es hat mit wirklich beeindruckt, dass die Menschen in der Lage sind, in dieser Situation so gut zurechtzukommen. Ich finde es toll, dass daraus ein Ganzes wird. Diese Situation ist aber ja nicht verwaltungsspezifisch: in Unternehmen hat man auch Restriktionen, die ärgerlich und keinesfalls deutlich besser sind. Das höre ich immer von Menschen, die bisher nur in der Verwaltung waren: “In der freien Wirtschaft ist ja alles anders”. Das ist Quatsch, da läuft alles genauso: Es muss alles verwaltet werden, es gibt für alles Vorschriften.

Nina: Glaubst du, es würde Unternehmen wie Amazon, Google oder Apple noch geben, wenn sie sich ähnlich verhalten würden wie so eine Stadtverwaltung als Ganzes? Glaubst du, die würden auch funktionieren?

Ralf: Diese Konzerne waren in ihren Anfangszeiten furchtbar dynamisch, und jetzt sind es riesengroße Verwaltungsapparate, die sich in keinster Weise von einer Stadtverwaltung unterscheiden. Ich glaube, wenn ich bei Amazon in die Verwaltungszentrale gehen würde, träfe ich genau die gleichen Leute, da sind genau die gleichen Schwierigkeiten, da gibt’s genau die gleichen Silos. Ich glaube nicht, dass die darin in irgendeiner Form besser sind, sondern dass Unternehmen ab einer bestimmten Größe einfach Strukturen haben müssen, um überhaupt lenkbar zu sein und zu funktionieren. Deshalb fangen diese Restriktionen ganz automatisch an.

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Nina: Aber heißt das nicht im Umkehrschluss, dass eine große Stadtverwaltung eigentlich nicht drum herum kommt, so zu agieren, wie sie jetzt agiert?

Ralf: In gewisser Weise ja. Ich glaube nicht, dass es möglich wäre, eine schlanke, flache, agile Struktur eines Start-Ups auf 6.000 Mitarbeiter runterzubrechen. Aber gerade eine Verwaltung, die ja aus vielen, relativ unabhängigen Bereichen besteht, kann die Strukturen in diesen Bereichen durchaus verändern. Es ist nicht notwendig, die Strukturen, die das Gesamtunternehmen braucht, um zu funktionieren, auch in eine kleine Einheit von zwanzig Personen einzuführen. Und zwanzig Personen — auch hundert oder zweihundert Personen — können aus meiner Sicht durchaus ganz anders organisiert sein: hierarchisch viel flacher, agiler strukturiert, etc. Aber die darüber liegende Struktur… die kann man vielleicht auch transformieren, aber ich glaube nicht, dass man sagen kann: “Ab morgen gibt es keine Hierarchien mehr — gucken wir mal, wie es läuft.” (Lacht)

Nina (lacht): Das würde wohl nicht funktionieren.

Ralf: Deswegen glaube ich auch, dass es diese Struktur geben muss. Aber man kann im Kleinen einen Transformationsprozess starten, um es irgendwann ins Große zu schaffen. Ich glaube, wenn alle Sachgebiete, alle Abteilungen agil wären, kämen die nächsten Schritte fast automatisch. Aber was ich gelernt habe: es gibt im Zweifel sehr viel Reduktion auf bestehende Gesetze und Vorschriften. Wenn jemand etwas nicht machen will, sucht er zur Not so lange, bis er sich darauf beziehen kann: “Aber in Vorschrift XY steht, ich darf das nicht”. Natürlich haben wir im Unterschied zu Unternehmen Regeln, die wir uns nicht selbst auferlegt haben, sondern die von außen kommen: Es gibt ganz bestimmte Vorgehensweisen, wie ein Personalausweis auszustellen ist. Davon gibt es keine Abweichungen. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass es Agilität oder neue Konzepte ausschließt oder zu Silodenken verpflichtet.

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